Ist der Begriff „Bestandskunden“ noch zeitgemäß?
Manchmal liegt es schon in der Beschreibung des Zustandes oder an der Begrifflichkeit, welche schnell in die Irre führen können. Ich meine, es gibt Bezeichnungen für Dinge, die normal oder üblich und zugleich sehr unzutreffend sein können. So geht es mir z.B. mit dem Begriff „Bestandskunden“. In dieser Woche habe ich mich dazu mit einem Vertriebsleiter ausgetauscht: Er hatte eine interessante Sicht der Dinge zu diesem Begriff und meinte: „Auch zu einem Bestandkunden solle man immer mit einer inneren Einstellung fahren, als sei es eine Neukundeneroberung!“ Wie recht er hat! Ich darf ergänzen: Was sagt der Begriff „Bestand“ denn fälschlicherweise aus?
- Erstens falsch, weil nicht zutreffend: Bestand bedeutet „gehört (zu) mir“. Aber was gehört heute noch sicher zu einem? Und Besitz an einem Kunden anzunehmen, ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Kundenbestand kann man (Gott sei Dank) in kein Grundbuch eintragen!
- Zweitens falsch, weil das Wort „Bestand“ so was wie sicher, vertraut, bekannt, usw. suggeriert. Die Dinge ändern sich allerdings sehr schnell und vielleicht schneller als einem lieb ist. Hat der Wettbewerber ein differenzierteres und damit zutreffenderes Bild als der „bestandskundenpflegende Verkäufer“ von der Bedarfslage des Kunden, ist der Kunde trotz Bestand Vergangenheit. Dann hört man Aussagen wie: „Also, man muss den Anderen ja auch mal eine Chance geben.“
- Drittens falsch, weil eine langjährige Zusammenarbeit die Gefahr birgt, dass das gute relationshipmanagement schon so manches verzeihen würde und eine gewisse Stabilität in der Kundenbeziehung darstellt. Kleinere Fehler in der Zusammenarbeit würden durch ein langjähriges, gutes Verhältnis kompensiert. Das unterstellt Kundenloyalität aufgrund des „Wir-kennen-uns-doch-schon-so-lange-Effekts“. In den heutigen kompetitiven und transparenten Märkten ist das eine reine Fehlannahme.
Daher meine Empfehlung: Verzichten Sie auf den unsinnigen Zusatz von „Bestand“ und bezeichnen Sie diese Kunden mit dem was Sie sind: KUNDEN! Und vielleicht fahren Sie zum nächsten Kundentermin noch etwas mehr mit der wettbewerbsüberlegenen Einstellung, es handle sich um einen Neukunden, den es zu überzeugen und gewinnen gilt! Ach, übrigens: eine Parallele drängt sich geradezu auf: Wir reden ja auch nicht von „Bestandsfrau“ oder „Bestandsmann“ wenn wir von unseren Partnern reden, sondern müssen uns immer wieder neu bemühen und uns ab und zu was Neues einfallen lassen…
Alexander Verweyen ist Unternehmer, strategischer Berater und Autor von bisher sechs Büchern. Als Geschäftsführer der alexander verweyen BUSINESS CONSULTANTS GmbH unterstützt er gemeinsam mit seinem Team namhafte Unternehmen bei der Steigerung ihrer Führungs- und Vertriebsperformance sowie der Bewältigung von Veränderungsprozessen.