Etwas, das jeder brauchen kann

Etwas, das jeder brauchen kann

Sehr geehrte Damen und Herren,

Der vielbeschäftigte Börsenbroker Tom kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken, seine Assistentin hat frühzeitig Weihnachtspräsente für seine Kunden besorgt, Karten geschrieben und alle Mitarbeiter mit Aufmerksamkeiten bedacht.

Den kommenden Feiertagen sieht er gelassen entgegen, endlich Ruhe und kein ständig vibrierendes Handy, einfach mal abschalten.

Noch im Arbeitsmodus hetzt er in sein Penthouse und trifft auf seine langjährige Haushaltshilfe, die gerade ihre Arbeit beendet hat und die, auf Hochglanz polierten, Räume verlassen will. Der Blick schweift über seine kaum genutzten Möbel, seinen Riesenflatscreen, der schwarz und glänzend strahlt und die Küche, scheinbar unbenutzt. Alles sauber und perfekt, wie sein Leben.

Jovial zieht er eines der kleinen Pakete aus der Tasche, welche die Assistentin mit den Neuheiten des Technikmarktes bestückt hat und die jeder brauchen kann und hält es der älteren Dame im Vorbeigehen hin:

„Frohe Weihnachten!“, sagt er und läuft weiter ins Badezimmer, ohne ihre Reaktion abzuwarten. Ihre Wünsche hört er schon nicht mehr richtig, dass sie ein kleines Päckchen hinterlassen hat interessiert ihn kaum. Was soll er, der doch schon alles hat, von seiner Putzhilfe erwarten?

Den anschließenden Abend und den 4. Advent verbringt er vor seinem Computer mit den Börsenberichten und der Lieferservice seines Lieblingsasiaten bringt sein Essen. Den Montag nutzt er um für seine Eltern und seinen Bruder mit dessen Frau und zwei Kindern, die dieses Jahr wieder zusammen feiern, eine Küchenmaschine, ein neues Hemd und Spielzeug zu kaufen und diese per Express zu verschicken.

Es kommt der Weihnachtstag. Tom hat nichts Besonderes vor und er ist auch nicht der Typ Mann, der sich an solchen Feiertagen der sentimentalen Frage hingibt, warum er alleine in einer 120qm Penthouse-Wohnung sitzt und niemand ihn anruft. Trotzdem kommt ihm der Tag heute besonders lange vor. Am liebsten wäre er ins Büro gefahren, aber das hatte die Firmenleitung ausdrücklich untersagt.

Am Nachmittag fällt ihm das kleine Paket seiner Putzperle auf, welches auf der Ablage im Flur steht, leicht gelangweilt öffnet er es: Es ist eine kleine, vollkommen leere Holzschachtel. Daneben, fein gefaltet, ist ein Zettel, auf dem mit schön geschwungener Handschrift geschrieben steht:

„Die Zeit mit geliebten Menschen zu verbringen ist das Wertvollste, was wir haben.“

Tom weiß nicht, warum ihm plötzlich Tränen in die Augen schießen und ihn eine beängstigende Leere übermannt. Die Leblosigkeit seiner sauberen Wohnung erdrückt ihn und er spürt mit jeder Faser seines Körpers eine nie gekannte Einsamkeit.

Ohne lange zu überlegen greift er nach dem Autoschlüssel, schnappt sich seine Jacke und hastet zu seinem Auto. Das Haus seiner Eltern sollte in einer guten Stunde erreicht sein…

Der Duft des Weihnachtsbratens erwartet ihn schon am Eingang, der herrlich geschmückte Baum mit den funkelnden Kerzen und der liebevolle Empfang seiner Familie erwärmen sein Herz.

Wie konnte er nur all die Jahre das Fest der Liebe alleine verbringen?

Die Weihnachtszeit mit all ihrer Hektik gipfelt jedes Jahr in wunderbaren Begegnungen mit den Menschen, die einem am Herzen liegen. Das ist ein Geschenk, das es nicht zu kaufen gibt und diese Zeit ist wertvoll und kostbar. Freude, Liebe und Harmonie geben neue Kraft, den Herausforderungen des kommenden Jahres gelassen und erholt entgegenzublicken.

Ich wünsche Ihnen ein wundervolles Fest und Zeit mit den Menschen, die Sie lieben.

Fröhliche Weihnachten,

Ihr Alexander Verweyen